Infrarotfotografie

ich sehe was, was du nicht siehst…

Praxis mit normalen Kameras

Stativ

Aus zwei Gründen braucht man ein Stativ:

1) Die langen Belichtungszeiten

Selbst bei relativ infrarotempfindlichen Kameras sind die Belichtungszeiten zu lang, um aus der Hand zu schießen. Wenn man mit langen Belichtungszeiten im BULB-Modus arbeitet, sollte man immer einen BULB-fähigen Fernauslöser nutzen, statt den Auslöser der Kamera, sonst verwackelt man das Bild.

2) Der blinde Sucher bei aufgesetztem Infrarotfilter

Für die Aufnahme muß der Infrarotfilter bei unmodifizierten Kameras zwangsläufig vor dem Objektiv angebracht sein. Durch diesen Filter können wir dann aber nicht mehr das Bild sehen und einstellen, d.h. das Bild muß zunächst ohne Filter eingerichtet werden, bevor man den Filter anbringt und auslöst. Bei manchen Kompaktkameras, die sehr empfindlich sind, kann man evtl. Glück haben und ein Monitorbild sehen und sogar mit der Autofokus- und Belichtungsautomatik arbeiten, aber auch da ergeben sich zu lange Belichtungszeiten für Handaufnahmen.

Okularverschluß

Bei langen Belichtungszeiten sollte man das Okkular verschließen, grade wenn durch das Objektiv relativ wenig Licht dringt, obwohl es recht hell ist (z.B. auch bei Pinholeaufnahmen, die ja Blenden von 250 etc sind). Ansonsten dringt auf diesem Weg ein wenig Licht bis zum Sensor und kann einen Schleier oder gar eine Überbelichtung verursachen.

Aufgrund eines Kommentars eines Zuschauers bei FotoTV.de habe ich nochmals einen Test gemacht und festgestellt, dass es eigentlich nur einen erkannbaren Unterschied gibt, wenn Licht direkt gerade ins Okular fällt. Z.B. habe ich das Okular irgendwann gar nicht mehr verschlossen, weil ich in einem Vergleich keinen Unterschied sah und auch sonst die Bilder wie erwartet aussahen, aber ich hatte wohl immer günstige Lichtverhältnisse. Das hängt aber auch vom Kameramodell ab, manche sind da anfälliger. Also: lieber zumachen oder selber austesten!

Ein offenes Okular ist nicht der Grund für die Hot Spots, die hellen Flecken in der Bildmitte bei IR-Aufnahmen, wie man immer wieder liest.

Format

Wenn es die Kamera hat: RAW. Ein Raw bietet wesentlich mehr Möglichkeiten in der Nachbearbeitung, wie z.B. die Änderung des WB und durch die höhere Farbtiefe qualitativ bessere Manipulationen der Tonwerte. Auch können verschiedene „Entwicklungen“ eines RAW Bildes zu einem Quasi-HDR kombiniert werden.

Iso und Rauschunterdrückung

Wenn die Belichtungszeiten recht lang sind, könnte man diese durch einen höheren ISO Wert verkürzen. Ein höherer ISO Wert bringt aber mehr Rauschen als bei einer langen Belichtung. Bei sehr langen Belichtungen sollte man „Rauschreduzierung bei Langzeitbelichtung“ an der Kamera einschalten, falls vorhanden. Das Rauschen könnte man zwar auch bei der Bildbearbeitung entfernen, aber auf diese Weise werden sehr gut Hot Pixels eleminiert. Dafür wird nach der eigentlichen Aufnahme noch eine mit gleicher Belichtungszeit aber bei Geschlossenem Vorhang, also schwarz, gemacht. Nicht wundern, wenn die Kamera nicht reagiert oder „busy“ o.ä. anzeigt, das gehört so. Anhand dieser Schwarzaufnahme werden fehlerhafte Pixel ou.ä., wie sie unter diesen Aufnahmeumständen entstehen, registriert und dienen als Grundlage zur Entstörung der eigentlichen Aufnahme. Theoretisch stehen diese Daten einer nachträglichen EBV nicht zur Verfügung, praktisch sind die inzwischen aber so gut, dass man wohl kaum noch Unterschiede erkennt.

Weißabgleich ohne RAW

Wenn Ihre Kamera kein RAW-Format bietet, sollte man auf jeden Falle einen individuellen Weißabgleich durchführen. Bei Infrarot empfiehlt sich als Referenzobjekt eine sonnenbeschienene Rasenfläche. Ansonsten haben die Bilder einen sehr starken roten, lilanen oder magentafarbenen Farbstich, der aus einem Jpg schwer zu entfernen ist. Auch das Monitorbild, bzw. das Rückschaubild passt sich dem neuen Weißabgleich an und verliert seine starke Färbung und ist besser zu beurteilen.
Mit RAW ist ein Weißabgleich eigentlich nicht nötig, da man diesen auch später am Rechner durchführen kann, man sollte es aber dennoch tun, weiteres dazu weiter unten unter „Histogramm“.

Belichtung

Wenn sie eine recht infrarotempfindliche Kamera haben, kann es sein, dass die automatische Belichtungssteuerung mit aufgesetztem Infrarotfilter funktioniert. Meistens versagen die meisten Belichtungsautomatiken bei aufgesetztem IR-Filter und der Wert, der ohne Filter berechnet wird, ist meielnweit entfernt von der richtigen Belichtung. Dann arbeiten Sie am besten im manuellen Modus.

Blende

Aufgrund der längeren Wellen der IR-Strahlung taucht Beugungsunschärfe bereits bei relativ großen Blendenöffnungen auf. Bei DSLR gilt als Faustwert, nicht weiter als bis zu Blende 8 oder 11 abzublenden, bei Kompakten ist die absolute Größe der Blenden wesentlich kleiner, daher sollte eine offenere Blende gewählt werden. Daher eher im Modus Av arbeiten und die Blende vorwählen. Hier kann man für seine Kompaktkamera bzw. eine DSLR-Objektivkombination eine Testreihe machen.
Zugegeben, bei manchen Objektiven sollte man auch „bei Licht besehen“ nicht weiter als 8 oder 11 abblenden, da die Schärfe da wieder stark abnimmt.

Belichtungszeit

Diese kann, wie bereits erwähnt, von Kameramodell zu Kameramodell sehr stark abweichen und zwischen 1 Sekunde und einer Minute liegen, was eben auch sehr stark von den Lichtverhältnissen, ISO und Blende abhängt. Hier sollte man sich herantasten. Um im BULB-Modus ohne Verwackeln der Kamera arbeiten zu können, sollte man mit einem BULB-fähigem Fernauslöser arbeiten, statt mit dem Auslöser auf der Kamera.

Histogramm

Zur Beurteilung, ob das Bild gut belichtet ist, ziehen Sie am besten das Histogramm zu Rate. Auch bei IR gilt: expose to the right, develop to the left, auf deutsch: Das Histogramm sollte möglichst viele Werte rechts aufweisen, ohne welche abzuschneiden. Ist das Bild zu knapp belichtet, muß man es nachträglich aufhellen, wodurch Bildqualität verloren geht.

Auch wenn Sie Bilder im RAW-Format speichern, bei denen Sie den Weißabgleich später am Rechner korrigieren können, sollten Sie einen in der Kamera machen, s.o. „Weißabgleich ohne RAW“. Zum einen sieht das Monitorbild eher wie gewünscht aus und ist kontraststärker und besser zu beurteilen. Da der Weißabgleich Einfluß auf das Histogramm hat, kann man nur anhand eines eigenen Weißabgleichs ein Histogramm erhalten, dass die IR-Belichtung einigermaßen korrekt anzeigt, ansonsten zeigt das Histogramm eine stärkere Belichtung an als tatsächlich stattgefunden hat und man neigt wieder zur qualitätsmindernden Unterbelichtung. Warum das so ist, lesen Sie unter „Histogramm en detail“.

Es ist zwar bei jeder Kamera anders, aber bei den meisten Modellen sind die roten Filter auf dem Senosr am durchlässigsten für IR, im Endeffekt ergeben sich so rote, gelbliche, lila oder magentafarbene Farbstiche. Die drei Farbkanäle sind auf jeden Fall nicht gleichmäßig „ausgelastet“, daher sollten Sie sich ein RGB-Histogramm anzeigen lassen, falls Ihre Kamera das kann und darauf achten, dass keiner der Kanäle überbelichtet ist. Das einfache, oder Helligkeits- oder Luminanzhistogramm ist entweder nur ein Durchschnitt der drei Kanäle oder sogar schlicht der Grünkanal, so dass stark abweichende und überbelichtete Kanäle unberücksichtigt bleiben.

Oft liest man, dass, wenn die Kamera kein RGB-Histogramm anzeigen kann, man 1 EV unterbelichten sollte, da sonst der rote Kanal überbelichtet ist. Wenn man keinen IR-Weißabgleich gemacht hat, braucht man das nicht, da dann eh unterbelichtet wird (siehe „Histogramm en detail“). Wenn Sie einen IR-Weißabgleich gemacht haben, könnte eine leichte Unterbelichtung hilfreich sein, dazu sollte man Belichtungsreihen machen und am Rechner prüfen, ob und wie stark es nötig ist.

Histogramm en detail

Wen die Hintergründe interessieren, kann hier noch ein wenig weiterlesen, für die praktische Arbeit ist es aber nicht nötig.

Das Histogramm basiert auf dem Monitorbild und das ist ein intern erzeugtes JPG und das wird intern aus dem RAW entwickelt und durchläuft dabei einige Transformationen, u.a. den Weißabgleich. Zur Verdeutlichung: Das gleiche Motiv mit gleichen Einstellungen aber mit zwei verschiedenen Weißabgleichen aufgenommen kann einmal im Histogramm eine Überbelichtung anzeigen, im anderen Falle ist es sogar zu dunkel! Und bei Kompaktkameras oder im LiveViewmodus wird sogar die Belichtungsautomatik danach gesteuert, bei Tests hat die Automatik bei mir 1 ganze Blende Unterschied nur aufgrund eines anderen WBs gehabt.

Der WB besteht aus drei Faktoren (mit „Tint“ eigentlich vier, den vernachlässigen wir hier mal), je einen für den Rot-, Grün- und Blaukanal. Dieser liegt über 1 und verstärkt einzelne Kanäle, um sie gegenseitig in Balance zu bringen und farbiges Licht sowie sensorspezifische Verschiebungen auszugleichen.
Ein Beispiel: meine Canon 1000D, WB-Preset „Schatten“: Rot: 2,037 / Grün: 1,0 / Blau: 1,36 (Grün ist meistens als Ankerpunkt 1,0)
Diese Verstärkung vor dem Erstellen des Histogramms/Belichtungsberechnung führt zu einer technisch gesehen unnötigen Unterbelichtung. Da steckt dann angeblich die „Magie“ des RAW-Formates drin, welche aus überbelichteten Stellen (laut Kamerahistogramm) noch Zeichnung holt.

Um ein Histogramm zu erhalten, dass möglichst genau die RAW-Daten analysiert, muß man einigen Aufwand treiben. Bei einigen Kameras kann man den Einfluß des WB killen, indem man den WB auf ein komplett weißes, also überbelichtetes Bild setzt. Da warnen manche Kameras, dass das evtl. nicht richtig klappt, spielen aber dennoch mit. Bei einigen gehts gar nicht. Durch das weiße Bild erhalten alle drei Farbkanäle den gleichen Faktor 1,0, d.h. es wird nicht durch unterschiedliche Gewichtungen bei der Transformation des RAWS einer der Kanäle verstärkt. Das Monitorbild ist allerdings farbstichig und nicht ausgeglichen, sondern mehr so, „wie es die Kamera sieht“. Bei der Belichtung kann so das RAW-Format bis ans Limit ausgereizt werden und trotzdem eine Überbelichtung in einzelnen Kanälen vermeiden werden. Wer es noch geneuer wissen möchte: Wer es ganz genau wissen will: http://www.guillermoluijk.com/tutorial/uniwb/index_en.htm

Was bedeutet das speziell für Infrarotaufnahmen?

Wenn man sich eine IR-Aufnahme, die mit dem oben beschriebenem, neutralen Weißabgleich gemacht wurde, ansieht, dann überwiegt der rote Kanal, bei meiner Kamera dicht gefolgt vom Grünen, der Blaue recht abgeschlagen. Die Belichtung hat bei diesem einen Beispiel 1/125 berechnet statt 1/180 wie mit allen anderen WB-Presets.

IR ist also von sich aus im roten Kanal am stärksten. Alle „normalen“ WB-Presets verstärken aber den roten Kanal, da dieser sonst eher wenig ausgelastet ist. Dadurch ergibt sich eine gleich doppelte Überpräsens im roten Kanal, die bei der Anzeige im Histogramm schnell überbelichtet aussieht, obwohl sie es nicht ist, bzw. bei der Belichtungsautomatik soviel Einfluß hat, dass zu kanpp belichtet wird.

Ein individueller WB für IR hat bei mir die WB-Faktoren wie folgt ergeben: Rot: 1,0 / Grün: 1,53 / Blau: 3,5. Wie man sieht, ist rot mit 1,0 zum niedrigsten, zum Ankerpunkt geworden und die anderen werden daran angeglichen. Insgesamt gibt es keinen „Ausreißerkanal“ mehr, sowohl die Belichtungsautomatik als auch das Histogramm sind ziemlich verlässlich (in meinem Beispiel wurden ebenfalls 1/125 berechnet, genauso wie für den „analytischen“ Weißabgleich.

Gleiches Motiv mit verschiedenen Weißabgleichen

Fokussieren

IR wird mehr gebeugt aber weniger gebrochen als Licht, wodurch die Objektive eine längere Brennweite erhalten, es gibt eine Fokusdifferenz. Diese muß beim Scharfstellen berücksichtigt werden. Man muß den Auszug etwas verlängern, also etwas NÄHER fokussieren. Das ist bei jedem Objektiv anders, hängt von der Brennweite ab (bei WW mehr Abweichung als bei Teles), bleibt aber für jede Motivdistanz gleich.

Viele (ältere) Objektive haben eine IR-Marke (oder Linie bei Zooms), diese gibt den Fokus meistens für 790 nm an.

Infrarotmarkierungen Festbrennweite und Zoom

Infrarotmarkierungen Festbrennweite und Zoom

Wenn der AF bei Kompakten trotz IR-Filter noch funktioniert oder man ein erkannbares Bild auf dem Monitor hat, nachdem man manuell scharf stellen kann, ist dies recht einfach: WYSIWYG.
Ohne Monitorbild und/oder AF sollte man ohne Filter fokussieren und dann in MF schalten, damit sich der Fokus nach Aufschrauben des Filters nicht mehr verstellt. Der Wert ist zwar nicht korrekt und es gibt meist auch keine Entfernungsskala, anhand der man eine geringe Fokusdifferenz vornehmen kann, aber Kompakte haben Bauartbedingt eine größere Schärfentiefe, so dass die abweichende IR-Fokussierung nicht so stark sichtbar ist. Gibt es keinen manuellen Fokus, ausprobieren, was geht.

Bei DSLR und dunklen Suchern wird es schwieriger. Prinzipiell gilt auch hier: Ohne Filter scharfstellen, Objektiv auf MF stellen, damit sich bei der Aufnahmen nichts mehr verstellt (man muß zwischendurch ja den Filter anschrauben). Mehrere Optionen:

  • Eher eine kleine Blende wählen, damit die Schärfentiefe die Fehlfokussierung ausgleichen kann. Siehe auch Blende.
  • Bei Landschaften die „normale“ Fokussierung nehmen. Bei Weitwinkel (stärkere Abweichung aber auch größere Schärfentiefe) und der Entfernungseinstellung „unendlich“ ist’s egal.
  • Schärfentiefeskala: Normal Fokussieren und dann anhand der Schärfentiefeskala einen näheren Wert nehmen, bei WW mehr. Gute Pi-Mal-Daumen-Methode.
  • Apochromatische Objektive sind manchmal auch im IR-Bereich korrigiert, so dass keine andere Fokussierung nötig ist. Dies gehört aber nicht zu ihrer Definition, muß also nicht stimmen.
  • Spiegelobjektive haben bauartbedingt keine Fokusdifferenz.
  • Eigene Korrekturwerete finden. Millimetermaß aufkleben, bei Licht mit Autofokus eine Aufnahme machen, dann mit IR-FIlter manuell immer einen oder einen halben Millimeter auf der Skala Richtung „näher“ fokussieren und dann amRechner die Schärfste Version bestimmen. Gilt immer nur für ein Objektiv, einen Filter und eine Brennweite (bei Zooms) aber jede Motiventfernung. Manche Kameras speichern für bestimmte Objektive eigene Fokuskorrekturwerte (aber nur einen bei Zooms).
Selbstgebaute Millimeterskala am Objektiv

Selbstgebaute Millimeterskala am Objektiv

Beispiele: Bei meinem Sigma 18-50 DC gab es bei 28 mm radial 2 mm Versatz, beim Canon 55-250 bei 25 mm 1 mm Versatz.